Diözese St. Pölten

 

"Kirche ist Anwältin der Lebenskultur im ländlichen Raum"

Kärntner Bischof Schwarz bei Katholikentags-Symposion in Warschau: "Mut machen, nach dem Evangelium zu leben" - Bauern sollen Reichtum ihrer Kultur mit großem Selbstbewusstsein wahrnehmen (Kathpress, 15.05.04)

Die Kirche soll Anwältin der Lebenskultur im ländlichen Raum sein, sagte der Kärntner Diözesanbischof Alois Schwarz am Samstag beim Katholikentags-Symposion in Warschau, das den Problemen der Landwirtschaft und des ländlichen Raums gewidmet ist. Wichtig für die Zukunft dieses sich stark verändernden Lebensraumes werde es sein, "dass die Bauern und Bäuerinnen den Reichtum ihrer Kultur mit großem Selbstbewusstsein wahrnehmen und schätzen". Die Kirche wolle ihnen dabei nach Kräften behilflich sein, betonte Schwarz: "Die Zukunft des ländlichen Raumes braucht kirchliche Gemeinden, die sich an lokalen und regionalen Initiativen zur Gestaltung und Entwicklung des ländlichen Lebensraumes beteiligen" und damit das "kulturelle Grundgerüst" des ländlichen Raumes stützen.

Aufgabe der Kirche sei es, "die konkreten Probleme und Lebenssituationen zu sehen, um aus christlicher Tradition heraus Orientierung und Halt zu geben", so Schwarz. Probleme gebe es im ländlichen Bereich zur Genüge, wie der Bischof betonte: Es komme vielfach zu einer "Ausdünnung der Infrastruktur", es gebe keine Schulen und Kaufhäuser in den Dörfern, auch Ärzte und medizinische Einrichtungen seien rar, öffentliche Dienstleistungen wie Verkehr und Post würden reduziert, Nahversorger und Gewerbebetriebe wanderten ab. Viele bäuerlichen Betriebe würden im Nebenerwerb geführt, die oft ganz andere Wirtschaftsweise der jungen Bauern führt nach den Worten von Schwarz zu Generationskonflikten: "Es zählt nicht mehr die Lebensweisheit der Alten, sondern die Kenntnis der Förderungsrichtlinien".

Auch das Zusammenprallen traditioneller bäuerlicher Lebensweise mit der modernen Unterhaltungsindustrie habe neue Spannungen geschaffen, sagte Schwarz. Bei der älteren Bevölkerungsgruppe trifft man laut Schwarz auf ein religiöses Wertekonzept, bei der Jugend auf ein individuelles. "Früher gab es bei widrigen Witterungsverhältnissen - wie lange anhaltende Dürre - Bittprozessionen um Regen. Heute schauen die Bauern bei Trockenheit im Förderhandbuch nach oder sie suchen ihre Versicherungspolizze", so der Bischof wörtlich.

All diese Veränderungen im ländlichen Raum seien Herausforderungen für die Seelsorge, sagte Schwarz. Es sei wichtig für die Kirchen, "dass sie die Menschen in ihren sozialen Problemen und Nöten ernst nehmen, sie begleiten und ihnen Orte des Gesprächs und der Versöhnung anbieten". Gerade den jungen Menschen wird - so Schwarz - besondere Aufmerksamkeit entgegen zu bringen sein. Es gelte "Mut zu machen, nach dem Evangelium zu leben". Die Entwicklungschancen des ländlichen Raumes lägen bei Bauern, "die als 'Lebenskünstler' der Maßlosigkeit des Zeittrends widerstehen, die eine Zivilisation der Bescheidenheit leben und so das Wachstum der Natur und das Wachstum der Kultur in den Dörfern fördern".

Vision einer globalen ökosozialen Marktwirtschaft

Die Vision einer globalen "ökosozialen Marktwirtschaft" erläuterte deren geistiger Urheber, der frühere österreichische Vizekanzler Josef Riegler, in seinem Schlussreferat des Warschauer Symposions. Dieser "Global Marshall Plan", der inzwischen von mehr als 100 Initiativen der europäischen Zivilgesellschaft unterstützt werde, sehe den schrittweisen Einbau ökosozialer Prinzipien in den ordnungspolitischen Rahmen der EU und darüber hinaus in die globalen Einrichtungen wie Welthandelsorganisation (WTO), Internationaler Währungsfonds (IMF), Weltbank etc. vor. Riegler hält auch Rahmenbedigungen für die internationalen Finanzmärkte für unabdingbar, Kapital müsse weltweit fair besteuert werden. Die Chancen für die Umsetzung einer ökosozialen Marktwirtschaft in der EU "stehen durchaus gut", so die Einschätzung Rieglers, auf globaler Ebene fehlten solche Ansatzpunkte jedoch noch weitgehend.

Dennoch sieht er diesen Ansatz als "europäische Innovation für eine zukunftsfähige Welt", als zukunftsträchtigen Mittelweg zwischen "ungezügeltem Markt" und doktrinärer Planwirtschaft. Die Zukunft liege in einer Weiterentwicklung der Sozialen Marktwirtschaft, die Balance halte zwischen einer wettbewerbsstarken Wirtschaft, sozialer Fairness und ökologischer Verantwortung im Sinne von Nachhaltigkeit. Riegler zitierte optimistisch den französischen Schriftsteller Victor Hugo mit dem Satz: "Nichts auf der Welt ist so mächtig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist".

Gegen kurzsichtige Liberalisierung im Agrarsektor

Gerhard Wlodkovski, Präsident der Steirischen Landwirtschaftskammer, warnte vor einer die europäische Bauernschaft bedrohenden Entwicklung zum "Billigprodukt" Lebensmittel, der Erlösanteil der Bauern an ihren Produkten werde immer geringer: "Von jedem Euro, den der Verbraucher für Lebensmittel ausgibt, erhält der Bauer nur noch 27 Cent". Kritik übte Wlodkovski auch an der immer weiter voranschreitenden Liberalisierung des Agrarhandels; Tier- und Umweltschutz würden dadurch ins Hintertreffen geraten, die sozialen Bedingungen von Bauern und Landarbeitern in den Ländern des "Südens" würden sich jedoch nicht verbessern. "Von einer Liberalisierung profitieren die Händler, die Verarbeiter und die Lebensmittelketten, in wenigen Fällen auch die Konsumenten, auf keinem Fall aber die Bauern, nicht in den Drittländern und schon gar nicht in Europa", warnte Wlodkovski.

[Druckansicht]



   

Botschaft Papst Johannes Pauls II.
an die Pilger in Mariazell
» mehr

"Mariazell geht weiter"
Kardinal Schönborn im Gespräch
» mehr

Europäische Identität
Debatte muss weiter gehen
» mehr

Schlussbotschaft
von der "Wallfahrt der Völker"
» mehr