Druckansicht Wednesday 15. December 2010

Gemeinsames Votum der christlichen Kirchen zur Verfassungsreform

Kardinal Schönborn und die anderen Repräsentanten der Kirchen deponierten am Freitag bei Hearing im Parlament mit verteilten Rollen die gemeinsame Stellungnahme - Zentrales Anliegen der Kirchen ist "Schutz der Menschenwürde" (Kathpress, 21.11.03)

Die christlichen Kirchen in Österreich haben am Freitag bei einem Hearing des "Verfassungs-Konvents" im Parlament ihre gemeinsame Stellungnahme zur Verfassungsreform deponiert. Kardinal Christoph Schönborn betonte als erster Redner seine Freude darüber, dass es "gelingen konnte, in der Frage der Verfassungsreform ein einheitliches Votum aller beteiligten Kirchen zu Stande zu bringen". In diesem Sinn wurde das gemeinsame Statement von mehreren Kirchenvertretern zum Vortrag gebracht. Der Kardinal dankte in besonderer Weise der Vorsitzenden des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ), Christine Gleixner, die als Konventmitglied die Initiative für eine gemeinsame Stellungnahme der Kirchen ergriffen hatte. Als zentrales Anliegen der Kirchen bezeichnete der Kardinal
den "Schutz der Menschenwürde".

Die Menschenwürde - "die für die Christen in der Gottebenbildlichkeit des Menschen begründet ist" - sei heute vielfach gefährdet, so der Kardinal. Trotzdem gebe es bisher in der österreichischen Verfassung noch keine Norm, die "ausdrücklich den Schutz der Menschenwürde garantiert und für den Einzelnen durchsetzbar macht". Daher plädierten die christlichen Kirchen für die Aufnahme eines entsprechenden Grundrechts in die neue Verfassung. Eine mögliche Formulierung sei: "Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie ist zu achten und zu schützen". Diese Formulierung bringe eine Begrenzung des staatlichen Handelns zum Ausdruck und begründe Schutzpflichten etwa im Bereich der Biotechnik. In diesem Zusammenhang würden die christlichen Kirchen nachdrücklich die Ratifikation der Bioethik-Konvention des Europarates empfehlen.

Präambel-Text würde gemeinsam erarbeitet

In dem vom evangelisch-lutherischen Bischof Herwig Sturm verlesenen Abschnitt der gemeinsamen Stellungnahme wurde - parallel zu den entsprechenden Bestimmungen im europäischen Verfassungsentwurf - der "offene, transparente und regelmäßige Dialog" des Staates mit den Kirchen und Religionsgemeinschaften eingefordert. Wörtlich heißt es im letzten Absatz der gemeinsamen Stellungnahme weiter: "Einer besonderen Präambel in der Verfassung bedarf es nicht für die Berücksichtigung der kirchlichen Anliegen. Sollte eine solche Präambel aber vom Konvent für notwendig erachtet werden, so werden die Kirchen einen gemeinsam erarbeiteten Text für die Aufnahme in diese Präambel vorschlagen".

Es gehe um die Anerkennung der "besonderen Identität" der Kirchen,die "kraft ihres Auftrags an der Zivilgesellschaft zwar teilnehmen, aber selbst nicht Teil der Zivilgesellschaft sind", so Bischof Sturm. Der besondere gesamtstaatliche Beitrag der anerkannten Kirche und Religionsgesellschaften für das Selbstverständnis Österreichs schließe andere Quellen nicht aus. Der kirchliche Beitrag bedürfe aber der "Pflege und Anerkennung", weil der Staat letztlich von Voraussetzungen lebe, die er selbst nicht schaffen kann. Der "offene, transparente und regelmäßige Dialog" zwischen Staat und Kirchen hebe den Grundsatz der "freien Kirche im freien Staat" nicht auf, er schreibe ihn geradezu fest, "weil nur voneinander unabhängige Identitäten in der Lage sind, miteinander einen Dialog zu führen".

Sturm erinnerte daran, dass Österreich "von manchen EU-Mitgliedsländern" um die Entwicklung der Beziehungen zwischen Kirchen und Staat beneidet wird. Der Dialog zwischen freien und unabhängigen Gesprächspartnern verlange im Ergebnis "nichts anderes als gegenseitiges Gehör, das allemal die beste Voraussetzung für gegenseitiges Verständnis und motivierte Zusammenarbeit bildet".

Schutz der Minderheiten

Es sei wichtig, die Aufgabe des Staates als "Garant des Friedens" wieder in den Blick zu nehmen, betonte der Wiener griechisch-orthodoxe Metropolit Michael Staikos in dem von ihm verlesenen Abschnitt des gemeinsamen Votums. Das gelte für den Frieden im Inneren und für den Frieden als Prinzip der Außenpolitik der Staaten. Der Staat habe beizutragen "zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts" und "zur Stärkung der Solidarität in der Gesellschaft, vor allem mit den Ausgegrenzten und Schwachen". Die kulturelle, religiöse, sprachliche, ethnische und politische Vielfalt müsse "anerkannt, geschützt und gefördert" werden. Die "Einheit in der Vielfalt" sei Maxime der Europäischen Union.

Für die Kirchen sei der "Schutz der Minderheiten" ein "unverzichtbarer Baustein des österreichischen Verfassungsrechts", unterstrich der Metropolit. Die Verantwortung von Bund, Ländern und Gemeinden für die Erhaltung und Förderung vor allem der kulturellen und sprachlichen Vielfalt müsse festgehalten werden. Diese Vielfalt sei "Ausdruck österreichischer Geschichte und Identität".


© Mitteleuropäischer Katholikentag 2004